VIDEO AUS SLOWENIEN

Die 80'er Jahre waren Zeuge einer Wiedergeburt des Mediums Video in Slowenien. Ich will damit jedoch nicht sagen, dass man von einem Beginn der Videokunst in Jugoslawien schon in den 70'er Jahren sprechen kann. Damals waren nur die Produktionen von Nusa und Sreco Dragan aus Ljubljana und von Sanja Ivekovic und Dalibor Martinis aus Zagreb bekannt. Es gab kein "jugoslawisches" Video als solches. Erst in den 80'er Jahren entstanden Videoproduktionen in den verschiedenen staedtischen Zentren der jugoslawischen Republiken, so in Ljubljana, Zagreb, Belgrad, Skopje und Sarajevo. So stellte auch der Wechsel von "jugoslawischem Video" zu "slowenischem Video", der sich sozusagen ueber Nacht vollzog, keine einschneidende Veraenderung dar. Darueberhinaus unterschied sich die Produktion in Slowenien in den 80'ern so radikal von dem Stil der visuellen Kuenste in den uebrigen Republiken, dass das "slowenische Video" in gar keinem Fall zu einem "nationalen" vereinheitlichenden Stil gerechnet werden konnte.

Die Anfaenge der slowenischen Renaissance des Videos in den 80'er Jahren sind mit dem lokalen Phaenomen der Alternativ- oder Subkultur verbunden. Das Phaenomen der Alternativ- oder Subkultur entstand in Zusammenhang mit der Arbeit von zwei kunst- und kulturorientieren Studentenzentren in Ljubljana: dem Studentischen Kunst- und Kulturzentrum (SKUC) und der Studentischen Kulturforum Gesellschaft (SKD Forum). 1982 gruendeten beide Zentren gemeinsam eine Videoabteilung, die zur Basis der unabhaengigen SKUC-Forum Videoproduktionen wurde. Die meisten der ersten Videoarbeiten von Kuenstlern und Gruppen, die in den 80'ern und jetzt in den 90'ern aktiv sind (Marko Kovacic, Zemira Alajbegovic und Neven Korda, ehemalige Mitglieder der Multimediagruppe Borghesia, Marina Grzinic & Aina Smid etc.) wurden von der unabhaengigen Videoproduktion des SKUC-Forums produziert.

In diesem spezifischen Kontext der neuen Jugend"subkultur" und Punkkultur der 80'er Jahre muss die Wiedergeburt des Mediums Video und der Videokunst verstanden werden. Die Punkkultur und ihre kuenstlerischen "off-shoots" setzten eine kompromisslose und kritische Energie frei, die zu Veraenderungen des Mediums der Kunst im allgemeinen fuehrten. Zu dieser Zeit entstanden in Slowenien viele neue soziale Bewegungen, wie z.B. das "coming out" Homosexueller und wenig spaeter das der Lesben aus Ljubljanas Underground. In diesem Kontext begruendete Video seine Rolle als angemessenes Medium fuer den Ausdruck der radikalen Standpunkte der neuen Generation. Videoamateurausruestung (VHS), ihre einfache Bedienung, die extrem schnelle Produktion und Reproduktion - all das hat Video zu einer der populaersten und radikalsten Medienformen fuer die Generation der 80'er Jahre gemacht.

Urteilt man nach der Anzahl der Produktionen (im letzten Jahrzehnt wurden mehr als hundert nicht-kommerzielle Videoprojekte realisiert), so koennte man sagen, dass Videokunst eine etablierte Institution in Slowenien ist; jedoch sind die Bedingungen, unter denen produziert wird, noch immer ziemlich "marginal". Slowenien hat zwar einige Videoproduzenten, aber niemanden,der sich um die Distribution der Videos kuemmern koennte. Auch fehlt ein Netzwerk von Kuratoren bzw. "Redakteuren", die die Videokunst innerhalb der kulturellen Institutionen repraesentieren koennten.

Waehrend der 80'er Jahre wurden kuenstlerische und dokumentarische Videoprojekte von den schon erwaehnten Studenten der studentischen Kulturorganisationen durchgefuehrt - dem SKUC-Forum und auch vom Cankar Kulturzentrum in Ljubljana im Rahmen seiner Video Biennale. Die Internationale Video Biennale fand 1983 zum ersten Mal statt und durch die 80'er Jahre hindurch fortgefuehrt. Seit dem Ende der 80'er Jahre, Anfang der 90'er Jahre engagiert sich TV Slovenija im Rahmen seines Kultur- und Kunstprogramms in der Produktion von kuenstlerischen Videoprojekten, waehrend unabhaengige Film- und Videoorganisationen oder -gruppen zumeist Werbung produzieren. Das Informationszentrum der 1990 gegruendeten Modernen Galerie zeigte mehrere slowenische Videoproduktionen sowie Produktionen aus dem Ausland und koennte neue Aussischten fuer die 90'er Jahre bieten.

Aber im Moment sind wir nichts weiter als eine Gruppe "seltsamer" individueller Enthusiasten, meist Videokuenstler, die sich mit viel Liebe und Hartnaeckigkeit mit einem Gebiet beschaeftigen, das Aussenseiter als eher exzentrisch bezeichnen. Videokuenstler sind daher gezwungen, kritische und theoretische Promoter ihrer eigenen Arbeiten zu sein.

Trotz dieser und anderer Engpaesse, die die Entwicklung der Videoproduktionen beeinflussen koennten - besonders auch im Kontext der durch die Unabhaengigkeit Sloweniens (1992/93) ausgeloesten wirtschaftlichen Krise - kann man sagen, dass die slowenische Videokunst wegen ihrer reichhaltigen Strategien der Visualisierung und Narration ein autonomes Paradigma innerhalb der Kunst darstellt, ein Paradigma, das als neue Oekonomie des Sehens definiert und verstanden werden kann. In Slowenien stellte das "Kunstvideo" verschiedene Ebenen der Geschichte und der zeitgenoessischen Aktivitaeten in den Bereichen der Kunst, der Kultur und der sozialen Aktivitaeten wieder her, bzw. frischte sie auf. Deren Fehlen war von Kritikern schon artikuliert worden, und zwar in den Bereichen der kommerziellen und (teilweise) der experimentellen Filmproduktion Sloweniens. Eine kritische Haltung, soziales Engagement, die Behandlung verschiedener politischer und sozialer Themen auf der einen und Experimentierfreudigkeit in der Film- und der Bildsprache und Technologie auf der anderen Seite zeichnen den Grossteil der slowenischen Videoproduktionen aus.

All dies zeigt uns, dass die Videoproduktion in Slowenien auf bestimmten Themen und formalen Charakteristiken basiert. Man kann diese Videoproduktionen nicht so einfach in Kategorien wie "Videoclip", Videokunst, Videotheater, Videotanz, Videoperformance oder Videoinstallation einordnen. Der Grossteil der Projekte (von Marko Kovacic, Natasa Prosenc, Marko Kosnik, Mirko Simic, Jasna Hribernik, Igor Zupe und Saso Podgorsek u.a.) koennten gleichzeitig einer Kategorien oder auch allen Kategorien zugeordnet werden. Manchmal kann aber auch z.B. ein Musikclip (von Peter Vezjak / Laibach, Borghesia, Hard Core Punk Collective etc.) wegen seiner sehr spezifisch definierten Themata schwer irgendeiner dieser Kategorien zugeordnet werden. Videokunst beschaeftigt sich oft mit politischen Themen (Marina Grzinic & Aina Smid u.a.). Aufgrund der Interdisziplinaritaet, die das Video zwischen den Bereichen Theater, Film, Performance und Musik herstellt, ist es extrem wichtig fuer Form, Inhalt und fuer die weitere Erforschung der innersten Bereiche der Kunst, die es beeinflusst.

Dies gilt auch, wenn wir ueber dokumentarische Projekte sprechen - ein Dokument wandelt sich schnell zu einem Erkennungszeichen/Erinnerungszeichen individueller Arbeit oder einer Zeitperiode. Mitte der 80'er und in den 90'er Jahren waren Videofilme nicht nur ein Ausdrucksmittel, sondern auch eine Methode, um politische Ereignisse zu dokumentieren. Dokumentarische Videobaender (von Amateuren auf VHS Equipment und von unabhaengigen Film- und Videogruppen auf professioneller Ausruedtung aufgenommen) fingen verschiedene Perioden des politischen und sozialen Kampfes in Slowenien ein: zum Beispiel 1988 die "Verurteilung der Vier" - vier Journalisten wurden wegen angeblichen Diebstahls und Veroeffentlichung geheimer Armeedokumente abgeklagt; 1991 den zehn Tage dauernden Krieg in Slowenien gegen die jugoslawische Armee; und Ende 1991 die Protestmaersche gegen die Abschaffung des Abtreibungsrechtes.Die 90'er Jahre sind - einhergehend mit dem 10-Tage-Krieg in Slowenien und der Demokratisierung des politischen Bereiches - Zeuge einer neuen Form des investigativen Journalismus (Iztok Abersak, Jasna Hribernik / Peter Zobec, u.a.), der sich dokumentarischen Videomaterials bedient.

Video bietet durch die jeweilige Narration der Autoren "authentische" historische, emotionale, kuenstlerische und politische Sichtweisen auf Ereignisse, Perspektiven, Umstaende, Koerper, Praktiken, Sprachen und Themen.

Marina Grzinic (Uebersetzung Inke Arns)